Zwischen Wunden und Wundern – Navina Salomon über die Kraft des Wochenbetts

Zwischen Wunden und Wundern – Navina Salomon über die Kraft des Wochenbetts

Das Wochenbett ist mehr als ein paar Tage Erholung nach der Geburt – es ist eine Zeit tiefgreifender Transformation. Die ersten Wochen mit einem Neugeborenen entscheiden nicht nur über das körperliche und seelische Wohlbefinden der Mutter, sondern wirken oft ein Leben lang nach.

Doula, Erziehungs- und Bildungswissenschaftlerin, Tanz- und Bewegungspädagogin und 9-fache Mutter Navina Salomon weiß das wie kaum eine andere. Seit über 20 Jahren beschäftigt sie sich mit den Zusammenhängen zwischen Geburt und Gesellschaft. Im Interview spricht sie über die heilige Bedeutung des Wochenbetts, darüber, warum unsere Kultur Frauen darin oft im Stich lässt – und was wir tun können, um Mütter in dieser sensiblen Phase zu schützen und zu stärken.

Der grundsätzliche Überlebenskampf, den moderne Frauen fast überall führen, der wird im Wochenbett deutlich.

Frage: Du hast neun Wochenbetten selbst erlebt. Wie sehr unterscheiden sie sich voneinander – und gibt es etwas, das bei allen gleich geblieben ist?

Navina: Ich hatte zehn Wochenbetten, eines davon war eine stille Geburt zuhause. Jedes war anders, aber jedes bewusst erlebt.

Je größer die Kinderschar, desto mehr Aufgaben lagen bei mir. Ohne Familie oder enge Freunde um mich herum, die einfach mit anpacken, bleibt vieles an der Mutter hängen. Ich habe mir Unterstützung selbst organisiert, Freundinnen auf verschiedene Tage verteilt- manchmal hat jemand wie eine kleine „Hausfee“ geholfen.

Was bei allen gleich geblieben ist: Ich habe bewusst darauf geachtet, nicht gleich wieder Vollgas zu geben, sondern Zeit zu nehmen, in mich zu gehen, Bonding aufzubauen und die Rückbildung achtsam zu begleiten. Als Tanz- und Bewegungspädagogin mit Hintergrund vom klassischen Tanz sowie auch Kampfkunst hab ich mir ein eigenes Equipment zusammengebaut, wie man mit der inneren Muskulatur zusammenarbeiten kann. Ich habe Ideokinese genutzt – das bedeutet, dass ich mit inneren Bildern arbeite: den Beckenboden wie eine Schale heben, die Gebärmutter bewusst wahrnehmen; sowie Faszienarbeit. Feine Arbeiten, sehr subtil, aber unglaublich wirkungsvoll.

Sehr besonders war für mich ein mexikanisches Ritual, das „La Cerrada“ – das „Schließen der Knochen“. Dabei wird die Frau sanft hochgehoben, getragen und umhüllt, oft mit Rebozo-Tüchern von Kopf bis Fuß. Man wird gehalten, getragen, gewiegt – es geht um ein Zur-Ruhe-Kommen, Geborgenheit, und um die Rückkehr in den eigenen Körper nach der Geburt. Manchmal begleiten das heilende Gesänge. Ich habe es mir lange vorgestellt in der Ideokinese, aber in einem Wochenbett konnte ich es tatsächlich erleben -zusammen mit einer Doulaschwester und Freundinnen. Das war zutiefst berührend und heilig.

Auch die Dampfglocke mit Kräutern habe ich oft genutzt. Dabei sitzt man über lauwarmem Dampf, der den Unterleib wärmt. Es ist wie eine Umarmung von innen – sehr wohltuend.

„Du musst gleich wieder funktionieren, Besuch empfangen, Haushalt erledigen.“ Das kann sehr gefährlich sein, gerade für die Bindung zum Kind.

Was sind deiner Erfahrung nach die größten Irrtümer, die Menschen über das Wochenbett haben?

Navina: Der größte und gefährlichste Irrtum: „Früher haben Frauen direkt nach der Geburt weitergearbeitet.“ Quasi: Das Kind am Feld gekriegt und gleich weitergemacht. Das stimmt einfach nicht. Es gab eine sehr bewusste Wochenbettpflege, in unserer Kultur ebenso wie in anderen: Hebammen, Marienstrohbett, Kräuter, die das Stillen anregen, beruhigen, gegen Infektionen helfen. Das war heiliges Wissen.

Heute wird Druck auf Frauen ausgeübt: „Du musst gleich wieder funktionieren, Besuch empfangen, Haushalt erledigen.“ Das kann sehr gefährlich sein, gerade für die Bindung zum Kind. Das Wochenbett ist dafür da, die „Gebrauchsanleitung“ des Kindes zu verstehen, zu lernen, was es braucht. Wer das verpasst, versteht sein Kind später schwerer.

„Bin ich eine gute Mutter? Eine schlechte Mutter?“ – Fragen, die gar nicht auftauchen würden, wenn der Prozess respektiert würde.

Was passiert im Wochenbett auf seelischer Ebene mit einer Frau, das wir in unserer Gesellschaft oft gar nicht wahrnehmen?

Für mich ist das Wochenbett eine sehr intensive Transformationszeit. Nach der Geburt meines ersten Kindes fragten mich die Leute:“Wie fühlst du dich als Mama, bist du glücklich?“ Und ich habe geantwortet: „Also ich fühl mich jetzt eigentlich noch gar nicht als Mama.“ Viele waren enttäuscht oder geschockt. Ich liebe mein Kind, aber ich musste diese Zeit haben, um wirklich in diese Rolle hineinzuwachsen.

Dieser Transformationsprozess wird oft übersehen oder nicht anerkannt. Er ist hochsensibel. Wenn Frauen nicht den geschützten Raum dafür bekommen, entstehen Fragen und Zweifel: „Bin ich eine gute Mutter? Eine schlechte Mutter?“ – Fragen, die gar nicht auftauchen würden, wenn der Prozess respektiert würde. Wenn eine Frau in dieser Zeit nicht ausreichend geschützt wird, kann das zu schweren Erschütterungen im Seelendasein führen und sich insgesamt in ihrer Biografie niederschlagen.

Ich habe das gerade wieder bei der Geburt meines kleinen Pupsischnups erlebt. Es war eine traumhafte Hausgeburt, super schnell und allein nur mit meinen drei Kindern, die andächtig dabei waren. Aber ich war in einem fremden Land, hatte keine Hebamme und musste mich danach im Krankenhaus sofort unter strenge Prozeduren stellen. Kaltes Wasser, Tupfer, Kontrollgänge – all das hat mir den geschützten Raum genommen, den ich dringend gebraucht hätte. Ich konnte mich nicht ins Wochenbett kuscheln, nicht in Ruhe ankommen. Dieses Erlebnis hat mir noch einmal bis in die Knochen gezeigt, wie wichtig dieser geschützte Raum direkt nach der Geburt ist.

Manche Frauen erleben das Wochenbett als „Kampf ums Überleben“ statt als behütete Zeit. Was läuft systemisch falsch?

Navina: In unserer Gesellschaft zählt das Wochenbett nicht als das, was es ist: eine hochsensible, heilige Zeit. In anderen Kulturen ist es selbstverständlich, dass Familie und Gemeinschaft die Mutter tragen. Wo anders ist es selbstverständlich, dass eine Oma oder Tante immer da ist; dass die Familie zeigt: Wir kümmern uns drum – und nicht viele Fragen stellt, sondern einfach macht.

Bei uns hingegen fühlt sich die Frau gezwungen, schnell wieder „funktionieren“ zu müssen – Besuch zu empfangen, den Haushalt zu machen, perfekt auszusehen.

Das Wochenbett ist aber keine Zeit des „Nichtstuns“. Es ist eine Phase intensiver Arbeit: die seelische und körperliche Transformation, das tiefe Kennenlernen des Babys. Eigentlich ist es die wichtigste Investition in die Zukunft – denn je besser Mutter und Kind sich verstehen, desto weniger Probleme entstehen später überhaupt.

Ich möchte behaupten: Der grundsätzliche Überlebenskampf, den moderne Frauen fast überall führen, der wird im Wochenbett deutlich. Nur, dass er im normalen Alltag überall gut versteckt bzw. kompensiert geführt werden kann – während ein Wochenbett alles offenlegt. Wir können uns nicht mehr verstecken, wie wir sonst alles verstecken. Weil wir für das kleine Wesen da zu sein haben, in ein neues Selbst strukturieren.

Es gibt vieles, das nicht in der Verantwortung der Frau liegt – und wo die Gesellschaft versagt.

Es gibt Frauen, die das Wochenbett als traumatisch erleben – was kann jede Frau selbst tun, um vorzubeugen, und was ist nicht in ihrer Verantwortung?

Navina: In der Schwangerschaft gibt es mittlerweile viele Möglichkeiten, Kurse zu besuchen, Massagen… Man sieht den Bauch; und dadurch wird dem Außen klarer: Diese Frau befindet sich in einer besonderen Zeit. Aber kaum ist der Bauch weg, soll die Frau wieder ganz die Alte sein? Die Anerkennung fehlt so sehr; und die können Frauen sich selbst leider auch kaum eingestehen. „Ich hab ja nichts geleistet“. 

Dabei ist es so wichtig, dass die Frau vor Allem in der Wochenbettzeit verwöhnt wird! 

Man kann sich vorbereiten: sich Unterstützung organisieren, Räume schaffen, in denen man erzählen kann, Massagen. Die Frau darf sich schon vor dem Wochenbett darin üben, sich etwas Gutes zu gönnen! Frauen überschätzen, was sie leisten müssten, und unterschätzen, wie großartig ihre Leistung ist. Auch Tränen, Kummer und das Transformieren gehören dazu – das ist alles Teil des Prozesses.

Aber es gibt auch Vieles, das nicht in der Verantwortung der Frau liegt und wo die moderne westliche Gesellschaft leider komplett versagt.

Wenn du einer frischgebackenen Mutter nur etwas fürs Wochenbett mitgeben dürftest – was wäre es?

Ich würde ihr einen Geburtsbericht oder einen Brief schenken, aus Sicht des Kindes – wenn ich sie als Doula bei der Geburt begleiten durfte. Oder einfach wertschätzend, der ihre Leistung ehrt. Jede Frau sollte wissen, dass sie Unglaubliches vollbracht hat. Wenn mein Kind zu einem Kindergeburtstag eingeladen ist, nehme ich auch immer ein Geschenk für die Mama mit.

Wenn mein Kind zu einem Kindergeburtstag eingeladen ist, nehme ich auch ein Geschenk für die Mama mit.

Gibt es etwas, das du erst im zehnten Wochenbett begriffen hast, was dir die neun davor nicht gezeigt haben?

Nach meiner letzten Geburt – traumhaft, aber mit einer belastenden Krankenhaus-Erfahrung danach – habe ich noch einmal gespürt, wie wichtig der geschützte Raum direkt nach der Geburt ist. Auch die schönste Geburt kann überschattet werden, wenn man sofort kämpfen muss, sich beweisen muss. Das Wochenbett selbst ist heilig, und diese Erfahrung hat mir das noch einmal bis in die Knochen gezeigt.

Navina Salomon, Mutter von 9 Kindern, u.a. Doula, Erziehungs- und Bildungswissenschaftlerin, Tanz- und Bewegungspädagogin; seit gut 20 Jahren erforscht sie die Zusammenhänge zwischen Geburt und Weltgeschehen.

2014-2015 ‚BABYs! Das erste Jahr‘ konnten Zuschauer Navinas Hausgeburt von Tochter Rivka bei RTL II in der allerersten Staffel begleiten.

Anfang 2022 wurde das mit Sarah Schmid verfasste Buch ‚Wochenbett – Überlebenshandbuch, Tagebuch und Anker für die ersten Wochen nach der Geburt‘ im Verlag ‚edition riedenburg‘ veröffentlicht.

In ihrem Magazin ‚Adelene‘ verfasste sie Artikel unter Einbindung internationaler Wissenschaft, die selten an anderer Stelle zu Wort kommt. Auch Ärzte und Journalisten stellten aus Überzeugung freundlicherweise diesem allein von Navina privat finanzierten Magazin Artikel zur Verfügung. Im Moment ruht das Projekt. Die vorerst letzte Ausgabe des ‚ADELENE -Magazin für Familie, Schwangerschaft und Geburt‘ wird in der aktuell entstehenden ‚Mewele- die Schule für alle Fälle‘ online veröffentlicht.

Mewele ist ein weltweites Schulprojekt für Reisende, Freilerner und freie Denker jeglichen Alters. Es basiert auf zwei Ebenen: online lernen via Vorstellungskraft, nahezu bildschirmfrei und im Leben begegnend lernen an weltweiten Bildungsorten. Mewele steht für Meditation, Wertschätzung und Lernen. Hier können meditative Bildungseinheiten für Sprösslinge genauso wie Themen zum Mamawissen, Training für graue Zellen … gefunden werden. Z.b. auch die traditionelle indische Babymassage. Zu finden ist das ‚Mewele – Vorzimmer‘ bei Telegram, wo du alles an Informationen dazu bekommst.

Wenn du ein exklusives Coaching oder Begleitung durch Navina möchtest, gibt es aktuell zwei Möglichkeiten: entweder ganz leger im Onlineformat oder aber du buchst dir jetzt dein Ticket in die Karibik, darfst sie live inmitten ihrer dortigen Familie besuchen und erhältst alles an Wissen und Sessions, die du möchtest.

Es gibt im Moment folgende Themen, Wünsche auf Nachfrage:

Schwangerschaftszeit mit ganzheitlicher Geburtsvorbereitung (online oder in der Karibik mit vielen Wohlfühlelementen)

Babyzeit mit allem, was du wissen möchtest (online oder wenn du dir Fliegen mit kleinem Kind zutraust)

Von Mama zu Mama – im miteinander Karibik erleben und sich etwas Gutes tun

Doulaausbildung (nur vor Ort im eins zu eins Format)

Spiritualität und Weiberkraft – Zykluswissen, Schoßraum, die Geheimnisse der Gebärmutter, Mondblut … (nur im ‚vor Ort Format‘)

Du bist an der unglaublichen Reise von Navina und ihrer Traumgeburt in der Karibik interessiert? Dann findest du im Kanal ‚Navinas Reise und eine Büchse voller Wunder‘ auf Telegram und auf Insta ihr Reisebuch. Da die Posts eine aufeinander aufbauende Geschichte bilden, lohnt es sich, dort von Anfang an zu lesen.

Du möchtest Navina bei ihrem Traum vom Zentrum ‚Memories of Mankind‘ unterstützen? Dann nimm Kontakt über Telegram oder via Email (mitten.im.wald@web.de) mit ihr auf. Gesucht werden u.a. Investoren, die an einem ganzheitlichen Investment interessiert sind, bzw. Projektunterstützer.

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